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Der übliche Fluchtweg
„Schwarz“ über die Landesgrenzen zu kommen, war nur einem Bruchteil der Flüchtlinge möglich. Die berittene Grenzpolizei und die Kriegsmarine waren sehr wachsam, denn die für die Ergreifung von Flüchtlingen lockten hohe Prämien. Seit ca. 1670 gab es sogenannte „guides“. Junge Männer, die beiderseits der Staatsgrenzen, in flämischen, deutschen, schweizer, piemontesischen und spanischen Grenzgebieten tatig waren, um die Grenzpolizei zu täuschen und die Flüchtlinge sicher über die Grenze zu geleiten. Natürlich kostete solches Geleit Geld und es kam alles auf die Vertrauenswürdigkeit der Reiseführer an; man konnte auch Spitzeln in die Hände fallen. Die Folge war dann die Galeerenstrafe.) In Richtung Holland und Brandenburg galten die beschwerlichen Höhenwege an den Cevennenkämmen entlang als relativ ungefährlichste Fluchtrouten. Weiter bei Valence über die Rhonefurten und durch die Westalpen, auf Schleichwegen um das befestigte Grenoble herum nach Savoyen und endlich in das Gebiet der Republik Genf. Von Genf aus stand dann der normale Reiseweg über Bern, Basel, Frankfurt a. Main nach den Bestimmungsländern offen.) In Frankfurt a. Main half die reformierte Gemeinde nach Kräften weiter und man konnte dann ab Kleve auf Fußmärschen über Minden, Halberstadt und Magdeburg das Ziel Brandenburg- Berlin erreichen. Berücksichtigt man dann eine tatsächliche Reisegeschwindigkeit zu Fuß von ca. 4, 5 km (entspricht etwa einer Lieue oder Großen Meile), so konnten 40- 45 km am Tag zurückgelegt werden. Für die Strecke von Genf nach Konstanz benötigte man demnach bei idealen Bedingungen (gutes Wetter, ohne Ruhetag, Zeitverlust der Aufstiege wird in der Ebene wettgemacht, das Übersetzen über die Flüsse dauert nicht zu lange) etwa acht oder neun Tage. ) Bei langen Reisen, noch dazu unter Verfolgungsdruck, ist wohl eher bei realistischer Betrachtung eine Durchschnittsreisegeschwindigkeit von 25 km am Tag anzunehmen. Ruhe und Heil an einem anderen Ort
In dieser Zeit, in der man in Frankreich Menschen ihres Glaubens wegen verfolgte, lagen im nördlichen Teil Europas - in Ostpreußen - etwa 80 % des ehemaligen kultivierten Bodens brach. Deutschland hatte insgesamt noch nicht die Folgen des Dreizigjährigen Krieges verkraftet und in Ostpreußen hatten sich die Schwedenkriege und der Tatareneinfall 1656 ) sowie die Pest 1709/ 11, verheerend auf die Bevölkerungsdichte ausgewirkt. Der übrige Teil des Landes ist durch Krankheit, Tod und vor allem durch Flucht der Besitzer infolge wirtschaftlicher Notlage "wüst" geworden. Sie gingen "ins Polnische".
Allein durch die Pest wurden insgesamt 60.000 Hufen wüst. In Johannisburg blieben nur 15 Bürger über, in Lyck starben 1300 und in Lötzen 800 Personen. Einige Ortschaften im Amt Lötzen (u. a. das Dorf Steindamerau/ Kaminonken) bleiben erstaunlicherweise von der Seuche verschont. ) Aus diesen Gründen erfolgte die Antwort am 29. Oktober 1685 recht schnell auf die Anordnungen Ludwigs XIV. Friedrich Wilhelm, der Große Kurfürst von Brandenburg- Preussen, erließ das Edikt von Potsdam. Dieses Edikt war zweisprachig verfaßt und wurde schon bald nach Erlaß in 500 gedruckten Exemplaren in Frankreich verbreitet.
„ Wir Friedrich Wilhelm, von Gottes Gnaden, Markgraf zu Brandenburg, des heil. Römischen Reichs Erzkämmerer und Churfürst, in Preußen, zu Magdeburg, Jülich, Cleve, Berge, Stettin, Pommern, der Kasssuben und Wenden, auch in Schlesien, zu Krossen und Jägerndorf Herzog, Burggraf zu Nürnberg, Fürst zu Halberstadt, Minden, Camin, Graf zu Hohenzollern, der Mark und Ravensberg, Herr zu Ravenstein, und der Lande Lauenburg und Bütow etc. etc. Thun kund und geben männiglichen hiermit zu wissen, nachdem die harten Verfolgungen und rigoureusen proceduren, womit man eine Zeithero in dem Königreich Frankreich wider Unsere der Evangelisch- Reformierten Relgion zugethane Glaubens- Genossen verfahren, viel Familien veranlasset, ihren Stav zu verstzen, und aus selbigem Königreiche hinweg in andere Lande sich zu begeben, daß Wir dannenher aus gerechten Mitleiden, welches Wir mit solchen Unsern, wegen des heiligen Evangelii und dessen reiner Lehre angefochtenen und bedrengten Glaubens- Genossen billig haben müssen, bewogen werden, mittels dieses von Uns eigenhändig unterschriebenen Edicts denenselben eine sichere und freye retraite in alle unsere Lande und Provincien in Gnaden zu offeriren, und ihnen daheneben kund zu thun, was für Gerechtigkeiten, Freyheiten und Praerogativen Wir ihnen zu concediren gnädigst gesonnen seyen, und dadurch die große Noth und Trübsal, womit es dem Allerhöchsten nach seinem alleinweisen unerforschlichem Rath gefallen, einen so ansehnlichen Theil seiner Kirche heimzusuchen, auf einige Weise zu subleviren und erträglicher zu machen.
1. Damit alle diejenigen, welche sich in Unseren Landen niederzulassen resolviren werden, desto mehrere Bequemlichkeit haben mögen, umb dahin zu gelangen und überzukommen, so haben Wir Unsere Envoyé extraordinaire bei denen Herren General- Staten dervereinigten Niederlande, dem von Diest, und Unserm Commissario Romswinkel in Amsterdam anbefohlen, allen denen französischen Leuten, von der Religion, welche sich bey ihnen angeben werden, Schiffe und andere Nothwendigkeiten zu verschaffen, umb sie und die ihrige aus Holland bis nach Hamburg zu transportiren, allwo Unser Hoffrath und Resident im Nieder-Sächsischen Kräyse, der von Gericken, ihnen ferner alle facilität und gute Gelegenheit an Hand geben wird, deren sie werden benöthigt seyn, umb an Ort und Stelle, welche sie in Unsern Landen zu ihren Etablissement erwählen werden, zu gelangen.
2. So viel diejenige anbetrifft, welche über Sedan, aus Champagne, Lothringen, Burgundien und aus denen nach Mittag gelegnenen französischen Provincien, ohne durch Holland zu gehen, nach Unsern Landen werden begeben wollen, selbige haben ihren Weg auf Frankfurt am Mayn zu nehmen, und sich daselbst bei Unserm Rath und Residenten Merian, oder auch zu Cölln an Rhein, bei Unserm Agenten Lely, anzugeben, gestalt wir denn denenselben beyderseits anbefohlen, ihnen mit Gelde, Passeporten und Schiffen beförderlich zu seyn, und sie den Rhein hinunter bis in unser Herzogthum Cleve fortzuschaffen, woselbst unsere Regierung Sorge tragen wird, damit sie entweder in Unserm Clev- und Märkischen Landen etablirt, oder, da sie weiter in andere Unsere Provincien zu gehen willens, mit aller desfalls erforderten Nothdurfft versehen werden mögen.
3. Weilen Unsere Lande nicht allein mit allen zu des Lebens Unterhalt erforderten Nothwendigkeiten wol und reichlich versehen, sonderlich zu Etablirung allerhand manufacturen, Handel und Wandels zu Wasser und zu Lande sehr bequem, als stellen Wir denen, die darin sich werden setzen wollen, allerdings frey, denjenigen Ort, welchen sie in Unserem Herzogthum Cleve, der Grafschaft Mark und Ravensberg, Fürstenthümer Halberstadt und Minden, oder auch in dem Herzogthümern Pommern und Preußen zu ihrer Profession und Lebensart am bequemsten finden werden, zu erwählen; Und gleichwie Wir dafür halten, daß in gedachter Unserer Chur- Mark- Brandenburg die Städte Stendal, Werben, Rathenow, Brandenburg und Frankfurt, und in dem Herzogthum Magdeburg die Städte Magdeburg, Halle und Calbe, wie auch in Preußen die Stadt Königsberg, sowohl deshalb weil daselbst sehr wohlfeil zu leben, als auch, wegen der allda sich befindenden facilität zur Nährung und Gewerb vor sie am bequemsten seyn werden, Als haben Wir die Anstalt machen lassen, befehlen auch hiermit und Krafft dieses, sobald einige von erwehnten Evangelisch Reformierten französischen Leuten daselbst ankommen werden, daß alsdann dieselben wohl aufgenommen, und zu allen dem zu, so ihren etablissemnt nöthig, ihnen allen dem zu, so ihren etablissement nöthig, ihnen aller Möglichkeit nach verholfen werden soll. Wobey Wir gleich wohl ihrer freyen Wahl anheim geben, auch sonsten außer oberwehnten Städten alle und jede Orte in unsern Provincien zu ihrem etablissement zu erwählen, welche sie in Ansehnung ihrer procession und Handthierung vor sich am bequemsten erachten werden.
4.Diejenigen Mobilien, auch Kauffmanns und andere Waaren, welche sie bey ihrer Ankunft mit sich bringen werden, sollen von allen Aufflagen, Zoll, Licenten und dergleichen imposten, sie mögen Nahmen haben wie sie wollen, gänzlich befeyet seyn, und damit in keinerley Weise beleget werden. 5. Daferne in denen Städten, Flecken und Dörffern, wo mehr gedachte Leute von der Religion sich niederlassen, und ihr domicilium constituieren werden, einige verfallenen, wüste und ruinierte Häuser vorhanden, deren Porprietarii nicht des Vermögens wären dieselbewieder aufzurichten, und in guten erbaulichen Stand zu setzen, so wollen Wir selbige gedachten Unsern französischen Glaubens- Genossen, für sie, ihre Erben und Erbens- Erben eigenthümlich anweisen und eingeben, dabey auch dahin sehen lassen, daß die vorigen Proprietarii wegen des Werrthes sothaner Häuser befriedigt, und selbige von allen oneribus, hypothequen, Contributions- Resten und allen andern dergleichen Schulden, welche vorhin darauff gehadtet, gänztlich liberiret und frey gemacht werden sollen. Gestalt Wir ihnen denn auch Holtz, Kalck und andere Materialien, deren sie zur reparirung dergleichen wüsten Häuser benöthigt, unentgeltlich anschaffen lassen, und ihnen eine Sechs- Jährige immunität von allen Aufflagen, Einquartierungen und anderen oneribus publicis, wie selbige Nahmen haben mögen, verstatten, auch die Verfügung machen wollen, daß deren Einwohner nichts als die bloße Consumptions-Accise währender solchen Sechs- Jährigen Freyheit davon abzutragen haben sollen. 6. In diejenigen Städte und anderen Orten, woselbst sich einige wüste Plätze und Stellen befinden, wollen Wir gleicher Gestalt Vorsehung thun, dass dieselbe samt allen dazu gehörigen Gärten, Wiesen, Äckern und Weyden gedachten Unsern Evangelisch- Reformierten Glaubens- Genossen französischer Nation nicht allein erb- und eigenthünlich eingeräumet, sondern auch, daß dieselbe von allen oneribus und beschwerden, welche sonst darauff gehafftet, gänzlich liberit und loß gemacht werden sollen, gestalt Wir denn auch diejenigen materialien, deren gedachte Leute zu Bebauung dieser Plätze bedürfen werden, ihnen ohn-entgeltlich anschaffen und die von ihnen neuerbaute Hässer samt deren Einwohnern in denen ersten zehn Jahren mit keinem oneribus außer der oben angeregten Consumptions- Accise belegen lassen wollen. Und weilen Wir auch gnädigst gemeinet seyn, alle mögliche facilität beyzutragen, damit gedachte Unsere Glaubens- Genossen im Unsern Lande untergebracht und etabliret werden mögen, Als haben Wir denen Magistraten und andern Bedienten in erwehnten Unsern Provincien gnädigsten befehl ertheilen lassen, in einer ieden Stadt gewisse Häuser zu miethen, worin gedachte französische Leute bey ihrer Ankunft aufgenommen, auch die Haußmiethe davon für sie und ihre Familien 4 Jahr lang bezahlet werden soll, Jedoch mit der Bedingung, daß sie diejenigen Plätze, welche ihnen auff obberührte conditiones werden, mit der Zeit zu bebauen ihnen angelegen seyn lassen.
7. Sobald sich obgedachte Unsere Evangelisch- Reformierte Glaubens-Genossen französischwer Nation in einiger Stadt oder Flecken niedergelassen, soll ihnen daselbst hergebrachte jura civitatis et opificiorum ohn entgeltlich und ohne Erlegung einiger Angelder concediret, und eben die beneficia, Rechte und Gerechttigkeiten verstattet und eingeräumt werden, deren andere Unsere an solchen Orten wohnende und gebohrene Unterthanen genießen und fähig seyn. Allermaßen Wir sie denn auch von dem so genannten Droit dÀubaine und anderen dergleichen Beschwerden, womit die fremde in anderen Königreichen, Landen und republiquen belegt zu werden pflegen, gänzlich befreyet, auch durchgehends auf gleiche Art und Weise, wie Unsere eigene angehörige Unterthanen, gehalten und tractiret wissen wollen.
8. Diejenige welche Manufacturen von Tuch, Stoffen, Hüten oder was sonsten ihre Profession mit sich bringet, anzurichten willens seyn, wollen Wir nicht allein mit allen desfals verlangten freyheiten, Privilegiis und Begnadigungen versehen, sondern auch dahin bedacht seyn und die Anstalt machen, daß ihnen auch mit Gelde und andern Nothwendigkeiten, deren sie zu Fortsetzung ihres Vorhabens bedürffen werden, so viel möglich assistiret und an Hand gegangen werden soll.
9. Denen so sich auff dem Lande setzen, und mit dem Ackerbau werden ernähren wollen, soll ein gewiß Stück Landes uhrbar zu machen angewiesen, und ihnen alles dasjenige, so sie im Anfang zu ihrer Einrichtung werden nöthig haben, gereichet, auch sonst überall ebener gestalt begegnet und fortgeholfen werden, wie es mit verschiedenen Familien, so sich aus der Schweiz in Unsere Lande begeben und darinnen niedergelassen, biß anhero gehalten worden. 10. So viel die Jurisdiction und Entscheidung der zwischen offt gedachten französischen Familien sich ereignender Irrungen und Streitigkeiten betrfft, da sind wir gnädigst zufrieden, und bewilligen hiermit, daß in denen Städten, woselbst verschiedene französische Familien vorhanden, dieselbe jemand ihres Mittels erwählen mögen welcher bemächtigt sein soll, dergleichen differentien ohneeinige Weitläffigkeit, in aller Güte zu vergleichen und abzuthun. Daferne aber solche Irrungen unter Teutschen an einer, und französischen Leuten anderer Seite sich ereugnen, so sollen selbige durch den Magistrat eines ieden Orts und diejenigen welche die französische Nation zu ihrem Schides- Richter erwählen wird, zugleich und gesamter Handuntersuchet, und summariter zu Recht entschieden und erhöret werden, welches denn auch als dann statt haben soll., wann die unter Franzosen allein vorfallende differentien, dergestalt wie oben erwehnet, in der Güte nicht beygeeget und verglichen werden können. 11. in einer jeden Stadt wollen wir gedachten Unsern französischen Glaubens-Genossen einen besonderen Prediger halten, auch einen bequemen Ort anweisen lassen, woselbst das exercitium Religionis Reformatae in fanzösischer Sprache, und der Gottesdienst mit eben denen Gebräuchen und Cermonien gehalten werden soll, wie es biß anhero bey den Evangelisch Reformierten Kirchen in Frankreich bräuchlich gewesen.
12. Gleichwie auch diejenigen von der französischen Noblesse, welche sich biß anhero unter Unsere protection und Unsere Dienste begeben, eben der Ehre dignitäten, praerogativen, als andere Unsere Adelichen Unterthanen genießen, Wir auch deren verschiedene zu den vornehmsten Chargen und Ehren- Aemptern an Unserem Hoffe, wie auch bey Unserer Miliz würklich employret, also sind Wir gnädigst geneigt, ebenmäßig Gnade und Beförderung denen Französischen von Adel so sich ins künftige in Unsern Landen werden setzen wollen, zu erweisen, und zu zuallen Chargen, Bedienungen und dignitäten, wozu sie capabel werden befunden werden, zu admittiren, gestalt denn auch dieselbe, wann sie einige Lehen- und andere Adeliche Güter in UNsern Landen erkauffen und an sich bringen dabey eben der Rechte, Gerechtigkeiten, Freyheiten und Immunitäten, deren andere Unsere angebohrene Unterthan genießen, sich gleichergestalt un allewege zu erfreuen haben sollen.
13, Alle Rechte, Privilegie und andre Wohlthaten deren in obstehenden Puncten und Artoculen erwehnet worden, sollen nicht allein denen so von nun an ins künfftige in Unsern Landen anlangen werden, sondern auch denjenigen zu gut kommen, welche vor publication dieses Edicts der bisherigen Religions- Verfolgungen halber aus Frankreich entwichen und in gedachte Unsere Lande retiriret haben, die aber so der Römisch-Katholischen Religion zugethan, haben sich derer in keinerley weyse anzumaßen.
14. In allen und ieden Unsern Landen und Provincien wollen wir gewisse Commissarien bestellen lassen, zu welchen offt gedachte französische Leute sowol bey ihrer Ankunfft als uach nachgehendes ihre Zufluchtnehmen, und bey denenselben Rath und beystandes sich erhohlen sollen, Inmaßen wir denn auch allen Unsern Stadthaltern, Regierungen auch andern Bedienten und Befehlshabern, in Städten und auf dem Lande, in allen Unsern provincien, so wol vermittels dieses Unseres offenen Edicts, als auch durch absonderliche Verordnungen, gnädigst und ernstlich anbefehlen wollen, daß sie offterwehnte, Unsere Evangelisch- Reformirte Glaubens-Genossen, französischer Nation, so viel sich derer in Unsern Landen einfinden werden, samt und sonders unter ihren absonderlichen Schutz und protection nehmen, bey allen oberwehnten ihnen gnädigst concedirten Privilegiis sie nachdrücklich mainteniren und handhaben, auch keinesweges zugeben sollen, daß ihnen das geringste Übel, Unrecht oder Verdruß zugefügt, sondern vielmehr im Gegentheil alle Hülfe, freunschaft, Liebes und Gutes erwiesen werden. Urkundlich haben wir dieses Edict eigenhändig unterschrieben, und mit Unserm Gnaden- Siegel bedrucken lassen.
So geschehen zu Potsdam, den 29. Octobr. 1685. Friedrich Wilhelm Churfürst.“
Die schnelle Reaktion auf die Entscheidung des französischen Königs zeigt, daß man am brandenburgischen Hofe nicht aus spontaner Entrüstung handelte, sondern die mit Versprechen von Starthilfen und Vergünstigungen versehene Einladung schon vorbereitet hatte. Von den ca. 200.000 vertriebenen Hugenotten kamen etwa 20.000 in die brandenburgisch- preußischen Lande. Die Hugenotten ) waren in Frankreich überzeugte Anhänger des absoluten Königtums gewesen, weil sie meinten, nur der jedem Einfluß entzogene Herrscher könne sie vor dem Angriff innenpolitischer Gegner schützen. Ludwig XIV. hatte sie in in diesem Glauben enttäuscht, aber das hinderte sie nicht daran, ihn nun auf die Hohenzollern zu übertragen. Die Herrschergewalt brauchten die Hugenotten auch, um sich in ihrer neuen Umgebung zu behaupten - in rauhem Klima, fernab von Ölbaum und Rebe, in einer Gesellschaft mit fremder Sprache und - für französische Verhältnisse -barbarischen Sitten.)
So führt uns die Flucht von Matthias Dulias und seinen bislang unbekannten Eltern aus dem sonnigen Frankreich in ein ehemals "deutsches" Gebiet, das bei der heutigen Bevölkerung schon überwiegend als polnische Landschaft bezeichnet wird:
M A S U R E N.
Im Süden der Provinz Ostpreußen liegt das masurische Sprachgebiet. Von alters her Grenzland zwischen dem deutschen und slawischen Einzugsbereich. Masuren ) galt bereits unter der ostpreußischen Bevölkerung als eigentümliche Landschaft. So gab es einige Spottverse über die Bewohner dieses Landstrichs u. a. : "Wo sich aufhört die Kultur, da beginnt sich der Masur!" ) oder "Die Augen blau vom Raufen, die Nase rot vom Saufen, die Haare weiß vom Huren, das sind die Farben der Masuren." ) Zusätzlich zu der besonderen Sprachweise ist Masuren darüber hinaus wegen seiner unzähligen Seen berühmt geworden. Alle Seen bilden ein Netz, das in dem ausge-streckten Tal der Hochebene von Masuren mehr als 900 Meter über dem Spiegel der Ostsee liegt. Die Zahl der ostpreußischen Seen betrug noch im 15. Jahrhundert 2037. 1906 war kaum noch die Hälfte vorhanden. Viele dieser Seen sind im Lauf der Jahrhunderte ausgetrocknet bzw. trockengelegt worden, um Weideland zu erhalten. Masuren wurde für mehr als 250 Jahre zur zweiten Heimat für die Mehrzahl unserer Familienangehörigen. Bis 1945 unterhielten hier einzelne Familienmitglieder ihre landwirtschaftlichen Betriebe,) in einem Land, von dem schon A.H. Lucanus im Jahre 1748 schrieb, daß "Preußen vor anderen Reichen und Staaten dieses voraus hat und daher um desto mehr zu bewundern ist, daß in einem Lande mittelmäßiger Größe so vielerlei Arten von Menschen beisammen gefunden werden, unter welchen es mancherlei Sprachen, Religionen, Kleidertrachten, Lebensarten, Gebräuche, Sitten und Gewohnheiten gibt, " und stellte fest, „daß Ostpreußen einzigartig unter den europäischen Landschaften dastehe mit seiner Durchmischung so vieler auswärtiger Völker.
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